Der Chor seit 1956

Unter dem damaligen Chorleiter Gottlob Hönes erlebte der Chor dann den lang ersehnten Aufschwung nach dem Krieg, und man konnte sich nach und nach auch an größere Vorhaben wagen. So konnte, dank der guten Beziehungen des Chorleiters, Hermann Mühleisen dafür gewonnen werden, anläßlich des 60–jährigen Jubiläums 1958 ein Arbeitswochenende mit dem Posaunenchor Münchingen und Bläsern aus dem Kreis Leonberg in Münchingen zu leiten. Also trafen sich samstags etwa 150 Bläser und probten intensiv an alter und neuer Musik und wurden sachkundig von Mühleisen in Spieltechnik und Posaunenchorliteratur eingeführt. Am Sonntag Morgen und abends bei einer Abendmusik konnte sich die Gemeinde dann von den schnellen Fortschritten des Chores dank des Arbeitswochenendes überzeugen.

Die Fortschritte setzten sich aber auch noch weiterhin fort und so bestritten der Posaunenchor zusammen mit dem Singkreis schon ein Jahr später eine geistliche Abendmusik in der Johanneskirche. Die Steigerung hatte auch zur Folge, daß der Posaunenchor immer mehr Einsätze wahrnehmen konnte, die über den eigentlichen Dienst des Chores in der Gemeinde hinausgingen.

Im Jahre 1968 gab es für den Posaunenchor eine Neuerung, die jedoch von fast allen Chormitgliedern sehr begrüßt wurde. In diesem Jahr begannen nämlich erstmals auch zwei Mädchen mit der Jungbläserausbildung. Margret Hönes und Dorothea Kirschbaum wurden somit Wegbereiter für immer neue Jungbläserinnen, die ein Instrument erlernten und später auch im Chor spielten.

Nach 28 Jahren Chorleitung gab Gottlob Hönes im Jahre 1974 die Leitung des Chores an Roland Wolf ab, der schon zuvor den Chorleiter vertreten hatte. Nach all der vielen Aufbauarbeit, die er im Chor geleistet hatte, dem 50. und 60. Jubiläum, den vielen Sondereinsätzen des Chores, wie zuletzt der Einweihung des Kindergartens im Kallenberg und auch dem großen Engagement in der Posaunenarbeit des Landes konnte er auf eine lange und erfüllte Zeit zurückblicken und gab nun dieses Amt in jüngere Hände.

Unter der neuen Leitung von Roland Wolf wurde die Förderung des Nachwuchses noch weiter in den Vordergrund gestellt. Man kümmerte sich aktiv um die Ausbildung von Jungbläsern. Somit konnte nach und nach der Verlust der Bläser, die in den 70er Jahren wegen Heirat, Beruf, Krankheit… den Chor verlassen mußten wieder ausgeglichen und sogar die Zahl der aktiven Bläser noch erhöht werden. Doch trotz der großen Abwanderungswelle im Chor war es weiterhin möglich, größere Auftritte zu gestalten, wie etwa zwei gemeinsame Abendmusiken mit dem Posaunenchor Korntal 1976.

Schon nach 4 Jahren Amtszeit gab Roland Wolf im Jahr 1977 die Leitung an Werner Haag ab. Unter dessen Leitung konnte man schon ein Jahr später das 80 jährige Bestehen des Chores feiern. Neben dem Festgottesdienst wurde bei diesem Jubiläum auch ein gemeinsamer Nachmittag gestaltet, zu dem Aktive und auch ehemalige Bläser des Chores zusammenkamen.

Ein schwerer Verlust für den Chor bedeutete schon ein Jahr darauf 1979 der plötzliche Tod des erst 28 jährigen Werner Haag. Er verstand sich sehr gut mit dem Chor und nahm auch die Aufgabe als Chorleiter sehr erst. Um so größer war deshalb die Trauer um den liebgewonnenen Chorleiter.

In dieser Situation ergab sich erneut das Problem, daß der Chor auf die Suche nach einem neuen Chorleiter gehen mußte. Jedoch erklärte sich Roland Wolf, der ja schon von 1974 bis 1977 den Posaunenchor geleitet hatte, bereit, den fehlenden Chorleiter zu ersetzen.

Unter der neuen „alten“ Leitung wurde der Aufgabenbereich des Chores erneut erweitert; so kam zum traditionellen Geburtstagsblasen bei Altersjubilaren und dem Blasen im Krankenhaus auch die Mitwirkung in Gefängnisgottesdiensten in Stammheim hinzu, auch das Mitwirken beim jährlichen Gemeindefest wurde zum festen Bestandteil des Jahresprogramms. Aber auch gesellige Zusammenkünfte durften nicht fehlen. Der jährliche Ausflug, zu denen man natürlich die Instrumente mitnahm und das Sommerfest auf dem Julianenhof gehörten mit zu den Höhepunkten des Jahresablaufs.

Einen besonderen Dienst, den der Posaunenchor erfüllen konnte, war im Jahre 1985. In diesem Jahr wurde in unserer Partnergemeinde Oettersdorf / Thüringen die Laurentiuskirche eingeweiht, die in 18 monatiger Arbeit in Eigenleistung renoviert wurde. Zu dieser Feier wurde der Posaunenchor eingeladen, den Festgottesdienst mitzugestalten. Bei diesem Gottesdienst zeigte sich jedoch, daß die damalige DDR-Regierung gar nicht mit dem Spielen des Chores einverstanden waren, denn dem Posaunenchor wurde es ausdrücklich untersagt unter freiem Himmel zu blasen. Da man nach dem Gottesdienst vor der Kirche noch ein kleines Platzblasen veranstalten wollte, mußte der Chor wohl oder übel aus dem Kircheninneren ins Freie hinaus spielen.

Am Ende des Jahres 1985 gab Roland Wolf nach weiteren 7 Jahren der Chorleitung sein Amt ab. Auch er war nach Gottlob Hönes einer der Chorleiter, die maßgebliche Aufbauarbeit im Chor geleistet haben, der sich aktiv um die Aus- und Weiterbildung der Bläser kümmerte und dadurch die Anzahl der Bläser im Chor ständig steigern konnte, der das Aufgabenfeld des Chores vergrößerte, ohne daß es als Last für die Bläser empfunden wurde und der auch die Beliebtheit des Chores in der Gemeinde steigerte.

Seit 1986 hat nun Alfred Schatz die Leitung des Chores. Mit diesem Wechsel der Chorleitung setzte auch ein deutliches Jüngerwerden des Chores ein. Sehr viele Jungbläser begannen mit der Ausbildung, darunter auch immer mehr Mädchen, und wurden auch bald in den Chor integriert. Da das 90 jährige Bestehen des Chores 1988, das zusammen mit dem 500 jährigen Jubiläum der Johanneskirche gefeiert wurde, schon fast vor der Türe stand, und der Posaunenchor dabei viele Aufgaben wahrzunehmen hatte, fuhr man gemeinsam zu einem Probenwochenende ins Monbachtal, um sich dort in aller Ruhe intensiv vorbereiten zu können. In der Zwischenzeit sind diese Wochenenden fast schon zur Tradition geworden, fährt man doch jedes zweite Jahr nach Lorch, ins Monbachtal oder wie im letzten Jahr in den Odenwald.

Der „neu verjüngte“ Chor konnte im Jahre 1990 kurz nach der deutschen Wiedervereinigung ein zweites Mal die Partnergemeinde in Oettersdorf besuchen. Und auch wie beim ersten Besuch 1985 waren Mitarbeiter der Stasi, die ja eigentlich zu dieser Zeit schon aufgelöst war, aber trotzdem im Untergrund noch weiter bestand, sehr darauf bedacht, uns auf Schritt und Tritt bei unserem Besuch zu beobachten.

Der wohl größte Höhepunkt der 100 jährigen Geschichte des Posaunenchors stellte nun sicherlich das Jubiläum dar. Anläßlich hierfür erschien auch die erste CD des Chores.

Zusammenfassend darf wohl gesagt werden, daß der Posaunenchor in seinen über 100 Jahren getragen wurde von vielen Gebeten und Gottes reicher Güte. Daß das „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr“ an erster Stelle steht, ist unser Anliegen. Unterwegs mit Jesus Christus dürfen wir freudig sagen und spielen: „Hab Lob und Ehr, hab Preis und Dank für die bisher’ge Treue, die du, o Gott, mir lebenslang bewiesen täglich neue. In mein Gedächtnis schreib ich an: der Herr hat Großes mir getan, bis hierher mir geholfen.“

Alexander Schatz